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Durch die Große Grabenniederung

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Gesamtstrecke: 50.16 km
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Es war so um die Jahrtausenswende herum. Da bekam ich ein kleines Büchlein in die Hand. Den Wander- und Naturführer „Naturpark Westhavelland“ empfohlen vom NABU. Ungefähr zur selben Zeit hatte ich mir ein neues Fahrrad zulegen müssen. Da lag also nichts näher, als mein neues Bike bei einer Tour auszuprobieren. Eine Tour aus dem Büchlein interessierte mich besonders. „Gänserufe über der Großen Grabenniederung“. Das klang spannend, und ich bin damals voll auf meine Kosten gekommen. Letztendliche hatte ich die Tour dann in den verschiedensten Variationen drei mal gemacht.

Da ich letztens ja gleich um die Ecke am Hohennauener See war, dachte ich mir, ich schau mal nach, was sich so in 15 Jahren geändert hat. Also am Samstag ab zum Hauptbahnhof. Natürlich hab ich wie immer getrödelt (nicht beim Fahrradfahren) und kam gerade rechtzeitig an, um den RE4 nach Rathenow um 10:58 Uhr erwischen zu können. Schnell noch auf dem gelben Plakat nachschauen, auf welchem Gleis er denn diesmal abfährt. Aha Gleis 8 mal wieder. Also mit dem Fahrrad verbotenerweise die Rolltreppe runter. Wenn man den Aufzug benutzen will, darf man nicht dringend einen Zug erwischen wollen. Jetzt nur noch hoffen, dass die Schlange am Fahrkartenautomaten nicht zu lang ist und selbiger auch funktioniert und vor allem meinen 5er akzeptiert und nicht nur damit rumspielt, indem er ihn immer wieder nur durchzieht. Aber alles klar. Keiner da (Warum nicht? Funktioniert er etwa nicht?). Aber wieder Glück gehabt. Der Automat hat glänzende Laune und pariert aufs Wort.

Irgendjemand hat mal behauptet, alles hat seinen Preis. Und was soll ich sagen, er hatte recht. Bei der Ansage, die dann durch die Halle halt, rutscht meine Laune schlagartig in den Keller. Der RE4 hat ca. 15 Minuten Verspätung. Und das bei der ODEG? Bei der Begründung, die dann nachgeschoben wurde, fällt es mir nicht leicht, mich nicht am allgegenwärtigen DB-Bashing zu beteiligen. Wegen eines technischen Defektes blockiert ein anderer Zug alles, was nach Norden oder Westen will. Die Verspätung wird verlängert auf 20 min, 25 min, 20 min. Ja was ist das. Es scheint also weiterzugehen.  Allerdings auf Gleis 7. Macht nix. Selber Bahnsteig. Andere hatten nicht so viel Glück. Der RE5 nach Rostock hatte mittlerweile schon über 60 min Verspätung.

Wegweiser in Hohennauen

Wegweiser in Hohennauen

Aber letztendlich bin ich in Rathenow nur knapp 10 min später angekommen. Diesmal nehme ich aber nicht den Weg nach Semlin, sondern den, die B102 begleitenden Radweg direkt nach Hohennauen. Gleich hinter der Kirche steht ein liebevoll gestalteter Wegweiser. Gleich danach muß ich Richtung Parey links abbiegen. Ich befinde mich jetzt auf dem „Storchenrundweg“. Noch in Sichtweite der Kreuzung huscht etwas unter der Sonne durch und verursacht eine wandernden Schatten. Das kann nur ein großer Vogel sein. Direkt über mir zieht ein Roter Milan ganz seelenruhig seine Kreise knapp über den Dächern. Nachdem ich ein paar hundert Meter weiter, gleich nach dem Ortsausgang, einen Schwarzen Milan richtig gut beobachten und die Unterschiede studieren konnte, war mir klar: Heute ist ein guter Tag für Greifvögel (und für mich).

Auf der linken Seit schlängelt sich die Havel ihrer Vereinigung mit der Elbe hin. Sie wird dem Weg bis nach Gülpe nicht mehr von der Seite weichen. Leider kommt man ihr nur selten so nah, wie beim Abzweig nach Spaatz. Dort befindet sich eine Naturbadestelle und ich bin froh ein schattiges Plätzchen für einen schnellen Snack gefunden zu haben. Außerdem muß ich mein Base-Cap rauskramen. Die Sonne brutzelt doch ganz schön vom Himmel. Hier macht auch der Storchenrundweg seinem Namen alle Ehre. Überall sieht man die schwarz-weißen Gesellen durch die Gegend staken. Kein Wunder, hier stehen auch überall Nisthilfen rum. Außerdem erleichtern die Mäharbeiten die Futtersuche.
Jetzt sehe ich auf der linken Seite ein Wanderhinweisschild „Schleusenweg“. Klingt interessant. Nach kurzem Zaudern und Kartenstudium, entschließe ich mich , den Umweg zu wagen und mir die Schleuse mal anzuschauen. Kaum 100 Meter in das etwas tiefer liegende Gebiet reingerollert, werde ich für meinen Wagemut belohnt. Direkt über mir kreist jetzt nicht allzu hoch ein Fischadler und läßt sich von mir nicht stören. Ein Stückchen weiter kann ich mal wieder ein typisches Phänomen beobachten. Auf der linken Seite sitzt ein Bussard auf einem hohen Pfahl. Solange ich mich bewege, scheint alles in Ordnung zu sein. Wenn ich aber stehen bleibe, fliegt er sofort weg.
Unten an der Schleuse angekommen, ist die Enttäuschung groß. Alles eingezäunt. Keine Möglichkeit die Schleuse einzusehen. Na dann eben nicht. Ich fahre weiter auf dem Schleusenweg Richtung Parey. Auf der rechten Seit befindet sich ein Wald und die Landschaft nimmt jetzt schon fast heideartige Züge an.

So sollten Raine aussehen

So sollten Raine aussehen

Gleich ist der Tisch gedeckt

Gleich ist der Tisch gedeckt

Schließlich erreiche ich Parey. Ein Blick auf die Karte verrät mir, dass ich immer gerade aus direkt an der Kirche vorbeifahren muß. Ich lasse die Kirche aber Kirche sein, um die dort gerade stattfindende Hochzeit nicht zu stören, und gelange auf einen netten Weg durch die Felder. Dort hoffen ein paar Störche auf einen reich gedeckten Tisch. Am Abzweig Gülpe treffe ich eine lustige Fahrradtruppe aus Sachsen. Sie erklären mir gut gelaunt, dass sie seit Rhinow auf der Suche nach etwas Essbaren sind und die in Gülpe ausgeschilderte Gaststätte wohl nicht mehr existiert. Als sie mich dann fragen, ob den in Parey ein Restaurant zu finden sei, liegt das Amusement ganz auf meiner Seite. Die nächste Einkehrmöglichkeit ist wohl erst in Hohennauen.
Der Weg nach Gülpe führt jetzt einsam am Deich der Havel entlang. Hier sehe ich auch ein paar Seeadler. Und nachdem ich unterwegs immer mal wieder einzelne Falken gesehen habe, sieht meine Bilanz ganz ansehnlich aus:

  • Seeadler
  • Fischadler
  • Roter Milan
  • Schwarzer Milan
  • Bussard
  • diverse Falkenarten*

*Die Art kann ich nicht genau bestimmen, denn bei Falken kenn ich mich nicht so aus.

Endlich Schatten

Endlich Schatten

open spaces

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Als ich dann in Gülpe ankomme, sehe ich zwar die Hinweise auf die Gaststätte, aber ich verlasse mich auf die Aussage, dass es die nicht mehr gibt. Darum rolle ich nun immer am Gülper See lang nach Prietzen. Der See ist wie leergefegt. Die Wintergäste sind natürlich schon lange weg, die Enten sind nach Aussage eines Vogelfreundes wohl in der Mauser und können im Moment gar nicht fliegen und der Rest hält sich sonstwie irgendwie bedeckt. Ich kann mich erinnern, dass es dort irgendwo einen Beobachtungsturm geben muß. Als ich dann endlich dort ankomme, ist er belegt. Aber warten lohnt sich heute nicht. Es ist ja eh nichts da. Ein Stückchen weiter steht eine alte Bockwindmühle. Früher wurde die Mühle von Wissenschaftlern und Ornithologen genutzt. Heute sieht das ganze Areal reichlich verwahrlost und ungepflegt aus. Für eine kleine Pause reicht es dann doch noch. Aber nicht ohne Ameisenattacke. Als ich wieder unterwegs bin, habe ich noch mindestens 10 Minuten zu tun ,mich von meinen ungebetenen Gästen zu befreien. Das ist wie Hobos vom Zug schmeissen.

Bockwindmuehle am Gülper See

Bockwindmuehle am Gülper See

Da der Nachmittag in Riesenschritten vorwärts schreitet, fahre ich ab Prietzen nicht weiter nach Rhinow, sondern biege nach rechts wieder in  die  Große Grabenniederung hinein. Früher fuhr hier noch die Bahn mit einer Ferkeltaxe über Rhinow nach Rathenow. Die Strecke ist aber natürlich schon seit etlichen Jahren stillgelegt. Wie kann es auch anders sein. Über Wolsier gehts eine kleine Landstraße nach Spaatz mit seiner netten kleinen Feldsteinkirche. Dort entdecke ich endlich auch mal wieder eine Sitzgelegenheit zum Luftholen. Da auch hier das Territorium von Ameisen verteidigt wird, dauert die Pause nicht allzu lange und ich fahre die immer schmaler werdende Straße Richtung Havel und Hohennauen. Dei Strasse wird zu einem recht angenehm zu fahrenden Radweg. Auf einmal hört der gute Weg auf und ich sehe garadezu vor mir eine Sperre. Aber wie immer ist in so einem Fall nichts ausgeschildert. Nach rechts geht aber ein gut ausgebauter Weg weiter. Aus Mangel an Alternativen geht es halt da lang. Das unbestimmte Gefühl, dass hier was nicht stimmt, bleibt aber.

Nur mal kurz ausruhen

Nur mal kurz ausruhen

Spaatzer Kirche

Spaatzer Kirche

Durch Zufall werfe ich mal einen Blick über meine Schulter zurück, und bekomme einen riesigen Schrecken. Der Himmel rechts hinter mir ist schwarz. Also anhalten und raten, in welche Richtung die Gewitterwolken wohl ziehen. Theoretisch müßten sie nördlich an mir vorbeiziehen. Aber was wenn nicht? Shit, ich bin hier mitten in der Pampa. Fahre ich wieder zurück nach Spaatz, oder riskiere ich die Weiterfahrt? Ich gehe das Risiko ein, und entscheide mich für die Flucht nach vorne. Bei jetzt doch leicht erhöhtem Tempo gehen mir so einige Gedanken durch den Kopf. Wie verhalte ich mich noch mal im Falle eines Gewitters in der Natur richtig? Jetzt entpuppt sich diese wirklich flache ebene Gegend als Präsentierteller. Die den Radweg flankierenden Bäume sind natürlich auch kein Schutz. Unter Bäumen soll man sich bei Gewitter nicht aufhalten. Auf freiem Gelände aber auch nicht. Wenn es wirklich schlimm auf schlimm kommt, muß man sich glaube ich so klein wie möglich machen. Hinhocken und die Füße unten zusammen. Oh Mann. Hoffentlich kommt es nicht so weit. Aber so wie es aussieht, habe ich recht und ich bekomme nur etwas auffrischenden Wind ab. Das ist sogar recht angenehm nach der Hitze. Die Große schwarze Wand schrammt aber haarscharf an mir vorbei.

Grosser Graben

Grosser Graben

Dann komme ich an eine T-Kreuzung an einer Brücke über einen Wasserlauf. Verstehe ich nicht. Die Kreuzung dürfte hier gar nicht sein. Dann bemerke ich die Hinweisschilder. Nach Wolsier 2,5 km rechts lang und in die andere Richtung nach Parey auch 2,5 km. Ich bin auf gar keinen Fall da, wo ich sein müßte (wollte). Nach Wolsier ist Blödsinn. Ich fahr doch hier nicht im Kreis. Also nach Parey. Ich habe noch Hoffnung, dass der Weg vielleicht doch noch einen leichten Knick nach links macht. Aber ich werde enttäuscht. Auf einmal bin ich wieder an der Stelle, an der ich vorhin die Sachsen getroffen habe. Also doch im Kreis gefahren. Wenigstens sollte ich mich jetzt nicht mehr verfahren. Es geht jetzt nur noch knapp 7 km so ziemlich schnurgeradeaus nach Hohennauen. Die dunklen Wolken habe ich jetzt hinten links und hoffe, dass sie auch dort bleiben. In Hohennauen angekommen, erblicke ich auch gleich wieder 2 Bänke für eine kleine Zwischenrast. Diesmal keine Ameisen. Nur Starensch… Na jedenfalls finde ich noch ein kleines unbeflecktes Plätzchen und lasse mich nieder. Direkt vor mir befindet sich die Kirche. Als ich mal kurz aufblicke erkenne ich den Wegweiser von heute Mittag wieder. Hehe, schon wieder ein Kreis.

Hohennauener Kirche

Hohennauener Kirche

Der Rückweg nach Rathenow und danach nach Berlin verlief unspektakulär. Ich kam gerade zur rechten Zeit in Berlin an. Die Gewitterschauer waren gerade durch und die Sonne zeigte sich schon wieder.

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